Gesundheitsgefahr durch Botulismus?

In den vergangenen Wochen waren wiederholt spektakuläre Presseberichte über Zusammenhänge von in Bioabfällen/Komposten enthaltenen Botolismus-Erregern und Gefahren für die menschliche Gesundheit bis hin zum plötzlichen Kindstod aufgetaucht.

Quelle der Berichte ist Prof. Dr. Böhnel, Veterinärmediziner an der Universität Göttingen. Im Rahmen eines von der deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projektes konnte er nachweisen, dass in Biokompost Clostridium-botulinum-Bakterien vorkommen können. Dies ist allerdings kaum erstaunlich: Clostridium-botulinum-Bakterien sind in der Umwelt, vor allem in Böden, weit verbreitet.

Clostridien sind hauptverantwortlich für den Abbau von Eiweiß z. B. bei der Verwesung toter Tiere und Kadavern. Einige Clostridien, darunter Clostridium-Botulinum, können auch Toxine bilden, die stark auf das Nervensystem wirken. Die Krankheit „Botulismus“ ist als gefährliche Lebensmittel- und Futtermittelvergiftung bekannt.

Auslöser von Botulismus ist in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle allerdings nicht das Bakterium selbst, sondern das von ihm gebildete Toxin oder die Aufnahme hoher Sporenkonzentrationen. Letzteres kommt als Ursache jedoch kaum in Betracht, da die erforderliche Konzentration unter natürlichen Bedingungen praktisch nicht vorkommt.

Die Toxinbildung ist instabil und im hohen Maße von bestimmten Außenbedingungen abhängig. Aus diesem Grunde kommt es in der Natur auch äußerst selten zum Auftreten von Botulismus.

Um die mögliche Relevanz von Clostridium-botulinum und seines Toxins in Bioabfällen und Komposten abschätzen zu können, hat die Bundesgütegemeinschaft beim Staatlichen Veterinär- und Lebensmitteluntersuchungsamt Potsdam eine Stellungnahme in Auftrag gegeben. Das Amt verfügt in Sachen Botulismus über eine mehr als 20-jährige Erfahrung und wurde vom Hygieneexperten des Bundesgüteausschusses, Prof. Dr. Böhm, als fachkompetente Stelle für diese Fragen empfohlen.

Das stattliche Veterinär- und Lebensmitteluntersuchungsamt hat der Bundesgütegemeinschaft nunmehr mit Schreiben vom 02.02.2001 diese Stellungnahme zukommen lassen. Darin wird unter anderem ausgeführt:

  • Clostridien sind als Zersetzer organischer Substanzen Bestandteil des natürlichen Kreislaufs der Natur. In Humus, Schlamm der Gewässer, Gartenerde, Kompost, Klärschlamm und anderen Substraten mit hohen Anteilen an organischer Substanz ist mit hohen Costridien-Konzentrationen im Bereich von 102 - > 106 Sporen/vegetativen Keimen pro g zu rechnen. Hauptsächlich findet man sie in den oberen Bodenschichten. Zu den Clostridien gehören auch zahlreiche pathogene und Exotoxine bildende Clostridienarten.
  • Das Missverhältnis zwischen dem weitverbreiteten Vorkommen der pathogenen Clostridien, einschließlich Clostridium-botulinum, in der Umwelt und dem im Verhältnis hierzu seltenen Auftreten von Erkrankungen beruht auf dem geringen Invasionsvermögen der Keime. Krankheiten treten nur bei Vorliegen bestimmter begünstigender Faktoren auf und können dann bei Wirbeltieren, Vögeln und Fischen gefunden werden. Clostridien sind Anaerobier. Die Reduktion des lokalen Redoxpotentials an der Eintrittspforte bzw. am Ort der lokalen Toxinproduktion ist die wichtigste Vorbedingung für die Anreicherung des Toxins als Voraussetzung für die Entwicklung von Intoxikationen. Weitere Faktoren sind optimaler pH-Wert (leicht alkalisch), der geeignete Temperaturbereich, ein ausreichendes Angebot an spezifischen Nährsubstanzen, das Fehlen einer Konkurrenzmikroflora bzw. die Einwirkung synergistisch wirkender Keime.
  • Die bei den bisherigen Kompostuntersuchungen auch nach Anreicherung in optimalen Medien festgestellten sehr geringen, an der Nachweisgrenze liegenden Toxinmengen von Clostridium-botulinum stehen im deutlichen Gegensatz zu den hohen bei Botulismuserkrankungen von Tieren und Menschen ermittelten Toxinmengen.
  • Epidemologisch sind für Botulismusausbrüche bei Mensch und Tier die aktiven Toxinbildner entscheidend, da Intoxikationen durch Sporentoxine die Aufnahme sehr hoher Sporenmengen voraussetzen, wie sie unter natürlichen Bedingungen nur ausnahmsweise vorkommen dürften. Was Kompostwerke betrifft, so zeigte die im Jahr 2000 von Prof. Böhnel durchgeführte 7-monatige Studie, dass bei Wiederholungsuntersuchungen keine toxinbildenden Clostridium-botulinum-Stämme in den Biokompostproben festgestellt werden konnten.
  • Ohne quantitative Angaben ist beim gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse die Korrelation der von Prof. Dr. Böhnel und Frau Dr. K. Lube im Journal of Veterinary Medicin B 47, Seite 785 – 795/200 mitgeteilten Clostridium-botulinum-Befunde in Biokompost mit Botulismuserkrankungen bei Tieren mit den bei plötzlichem Kindstod ermittelten Botulismusfällen nicht geeignet, Wirkungsbeziehungen bei Tier und Mensch abzuleiten. Der in der Presse heraufbeschworene Zusammenhang zwischen den Botulismusfällen bei „plötzlichem Kindstod“ und dem Nachweis toxinbildender Clostridium-botulinum-Stämme in Biokompost ist unseres Erachtens eindeutig spekulativ, so lange einfachste hygienische Grundsätze außer Acht gelassen werden.
  • Zusammenfassend ergibt sich, dass Botulismus bei Mensch und Tier zu den gefährlichsten bis in die jüngste Zeit meldepflichtigen Krankheiten gehört, dessen Überwachung und Bekämpfung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Da das natürliche Reservoir des Erregers der Boden ist, muss auch im Kompost, Klärschlamm, Staub und anderen Umweltsubstanzen mit dem Vorkommen toxinbildender Clostridium-botulinum-Stämme gerechnet werden. Ihr Nachweis ergibt noch keine besondere Gefährdung von Mensch oder Tier. Da das Auftreten von Erkrankungen an spezifische Faktoren gebunden ist, die die Vermehrung des Erregers und/oder die Anreicherung seines Toxins in der Umwelt bzw. in Lebensmitteln voraussetzen, ist der Kontrolle und Überwachung der Lebensmittel, Futtermittel, Bioabfälle und andere organische Substanzen verarbeitenden Einrichtungen besondere Aufmerksamkeit zur Erkennung und Vermeidung der Anreicherungsbedingungen zu schenken.
  • Die bisher vorliegenden Ergebnisse über das Vorkommen von toxinbildenden Chlostridium-botulinum-Stämmen in Biokompost geben jedoch keine Anhaltspunkte, dass bei der Kompostierung tatsächlich eine hygienisch relevante Anreicherung stattfindet.
  • Die Entstehung von Botulismusintoxikationen setzt einen Komplex spezifischer prädisponierender Faktoren voraus, die es bei jedem Geschehen zu erforschen gilt. Ihre gezielte Verhütung ist die Voraussetzung für eine effektive Bekämpfung von Botulismusintoxikationen. Das Vorkommen des Erregers in der Umwelt stellt noch keine Gefährdung da, zumal es sich meist um Stämme mit sehr geringer Toxinbildung handelt und jeder Mensch sich täglich mit potentiellen Trägern pathogener Clostridien einschließlich Clostridium-botulinum im Kontakt befindet.


Obwohl bislang in keinem Fall ein Zusammenhang zwischen Biokompost und Botulismus nachgewiesen wurde, hat das Umweltbundesamt (UBA) aus Vorsorgegründen zwei weitere Forschungsprojekte an Prof. Böhnel in Auftrag gegeben. Im ersten Forschungsprojekt wurden verschiedene Biokomposte auf das Vorhandensein von Botulinumtoxinen untersucht.

Das Projekt wurde im Januar 2001 abgeschlossen. In keinem Fall konnten Botulinumtoxine in den Kompostproben nachgewiesen werden, so dass eine Gefährdung der Verbraucher auszuschließen ist, teilt das Umweltbundesamt in seiner Pressemitteilung vom 08.02.2001 mit.

In einem zweiten, seit November 2000 laufenden Forschungsprojekt soll untersucht werden, ob es durch die Ausbringung von Biokompost, wie von Prof. Böhnel gemutmaßt, zu einer vermehrten Verbreitung von Clostridium-botulinum-Bakterien in der Umwelt kommt.

Andere Botulismusexperten in Deutschland halten dies zwar vor dem Hintergrund der bereits weiten natürlichen Verbreitung und des Vorkommens von hohen Konzentrationen des Bakteriums in z. B. Tierausscheidungen (Gülle, Stallmist) für unwahrscheinlich. Trotzdem soll aus Vorsorgegründen die Konzentration von Clostridium-botulinum-Bakterien in Böden, in Biokompost, in Wirtschaftsdüngern sowie in Klärschlamm genauer untersucht werden.

In seiner o. g. Pressemitteilung vom 08.02.2001 hat das Umweltbundesamt in Reaktion auf überzogene Presseartikel jedoch eindeutig festgestellt, dass nach den bisherigen Erkenntnissen keine unmittelbare und erhöhte Gefahr für Verbraucherinnen und Verbraucher besteht, durch das Sammeln von Bioabfällen oder durch das Aufbringen von Biokompost in der Landwirtschaft oder als Blumenerde zu erkranken.

Weitere Information: Umweltbundesamt, Postfach 330022, 14191 Berlin, Fax: 030/8903-2798, e-Mail jana.schmidt@uba.de. (KE)

Quelle: H&K 02-02

Bundesgütegemeinschaft Kompost e.V.

Von-der-Wettern Str. 25
D-51149 Köln-Gremberghoven

Telefon +49 (0) 22 03 / 358 37 - 0
Telefax +49 (0) 22 03 / 358 37 - 12
E-Mail: info(at)kompost.de