Kritik an Gutachten über Schadstoffe aus Klärschlamm in Ackerböden in Baden-Württemberg

Die von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU) erstellte Studie "Schadstoffe in klärschlammgedüngten Ackerböden Baden-Württembergs" stieß anlässlich des Symposiums "Kein Klärschlamm in der Landwirtschaft" im September 2003 an der Universität Stuttgart-Hohenheim, bei dem die Ergebnisse der Untersuchung diskutiert wurden, auf deutliche Kritik.

Ziel der Studie war die Untersuchung der Frage, ob die Klärschlammdüngung zu einer nachweisbaren Anreicherung von Schadstoffen in Ackerböden führen kann.

Die Untersuchung basierte auf dem paarweisen Vergleich von jeweils einer mit Klärschlamm gedüngten Ackerfläche (Klärschlamm-Fläche) mit einer benachbarten nicht beschlammten Referenzackerfläche (Referenz-Fläche) mit weitgehend übereinstimmenden Boden- und Standorteigenschaften. Zur Recherche geeigneter Flächen wurden Informationen von mehr als 1.000 Einzelstandorten ausgewertet. Die gesuchten Böden mit Klärschlamm-Aufbringung sollten laut Langfassung der Studie eine langjährige Klärschlammdüngung mit möglichst hohen Mengen aufweisen.

Ergebnis der Standortauswahl (von den über 1.000 Flächen) waren lediglich 13 über das ganze Land verteilte Flächen. Es handelte sich um 11 Praxisstandorte sowie 2 Versuchsstandorte. Letztere auf dem Gelände der Universität Stuttgart-Hohenheim. Die ausgebrachten Klärschlammgesamtmengen der Praxisstandorte lagen in der Summe zwischen 3,2 t TS/ha und 31,5 t TS/ha, die der Versuchsflächen mit den eher unrealistischen Aufwandmengen bei 85 t TS/ha und 510 t TS/ha. Die Klärschlämme wurden dort von 1972 bis 1989 aufgebracht.

Die hohen Aufbringungsmengen und die Schadstoffgehalte des verwendeten Klärschlammes auf den Versuchsflächen überstiegen deutlich die heutigen Vorgaben gemäß Klärschlammverordnung (AbfKlärV). Danach dürfen innerhalb von drei Jahren nicht mehr als 5 Tonnen Trockenmasse an Klärschlamm je Hektar auf Böden aufgebracht werden. Auch das LfU sieht die Flächen als "praxisfern bewirtschaftete Versuchsflächen" an.

Als Ergebnis der Untersuchung zeigten sich laut Studie bei den Gesamtgehalten (Königswasserextrakt) auf 3 von 11 Praxisstandorten bei Schwermetallen signifikant erhöhte Werte auf den Klärschlamm-Flächen. Bei den Gesamtgehalten im Königswasserextrakt "war die Anreicherung von Schwermetallen in Böden am ehesten nachzuweisen", so die Studie.

Bemerkenswert ist, dass in der Beschreibung der Ergebnisse darauf verwiesen wird, dass die signifikante Erhöhung an einem der betroffenen Praxisstandorte (Kupfergehalt an Standort 7) "mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf die Klärschlammbehandlung zurückzuführen ist". Gleichzeitig weisen auch Referenz-Flächen signifikant höhere Schwermetallgehalte auf. So sind auf 2 Referenzflächen die Chrom- und Vanadiumgehalte erhöht. Eine langjährige Düngung mit Thomasphosphat, das etwa 1 % Vanadium und 1.200 – 2.200 mg/kg Chrom enthält, sei als wahrscheinlichste Ursache der erhöhten Cr- und V-Gehalte der Referenz-Flächen anzusehen. Vermutlich seien auch die erhöhten Chrom- und Vanadiumgehalte einer weiteren Klärschlamm-Fläche (Standort 10), auf der erhöhte Schwermetallgehalte gefunden wurden, mit Thomasphosphatdüngung zu begründen.

Auf den Referenzflächen wurden außerdem im Vergleich zu den Klärschlamm-Flächen statistisch signifikant erhöhte Arsengehalte (Standort 5) und statistisch signifikant erhöhte Kobaltgehalte (Standort 4) festgestellt.

Bei der Düngung wurde auf mehreren Klärschlamm-Flächen über die Klärschlammgabe hinaus auch Gülle angewendet. Bei allen Untersuchungsstandorten handelt es sich um konventionell bewirtschaftete Flächen, so dass Einträge von Schadstoffen auch durch Pflanzenschutz- und weitere Düngungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden können.

Alle Schwermetallkonzentrationen auf den Praxisflächen lagen unterhalb der Vorsorgewerte nach Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV).

Weiterhin kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass an 3 von 11 Praxisstandorten bei mindestens einem organischen Parameter signifikante Unterschiede zwischen Klärschlamm- und Referenz-Flächen festzustellen wären. Bezogen auf die Stoffgruppen seien die Organozinnverbindungen, die polychlorierten Dioxine/Furane und die polyzyklischen Moschusverbindungen an diesen Standorten signifikant erhöht.

Bezüglich der Organozinnverbindungen (OT) ist in der Langfassung des Berichts jedoch zu lesen, dass den Aussagen teilweise nur eine einmalige Messung zugrunde liegt. Daten über Hintergrundbelastungen in Böden zum Vergleich waren nicht bekannt. Zusätzlich liegt auch ein Referenzwert höher als der zugehörige Analysenwert der Klärschlamm-Fläche.

Bei 5 der 6 Praxisflächen, bei denen direkt Klärschlamm- und Referenz-Flächen im Hinblick auf polychlorierte Dioxine und Furane (PCDD/PCDF) miteinander verglichen werden konnten, lagen alle Konzentrationen unterhalb von 1 ng TE/kg TS im Bereich der Hintergrundbelastung. Ein Standort wies mit 1,8 ng TE/kg TS einen höheren Wert auf, der allerdings immer noch im Gesamtbereich der in Baden-Württemberg gefundenen Hintergrundgehalte lag. Die gemessenen Gehalte an polyzyklischen Moschusverbindungen basieren ebenfalls teilweise nur auf einer Messung. Vergleichswerte in Form von Vorsorgewerten oder Hintergrundbelastungen in Böden waren nicht bekannt.

Bei einer Vielzahl von weiteren untersuchten organischen Schadstoffen konnten keine Unterschiede bei den Flächenpaaren nachgewiesen werden. So waren Aussagen über mögliche Differenzen zwischen Klärschlamm- und Referenz-Flächen bezüglich PCB aufgrund der niedrigen Gehalte knapp oberhalb der Bestimmungsgrenzen nicht sinnvoll. Bei den PAK haben sich andere, insbesondere atmosphärische Eintragsquellen als relevanter erwiesen. In keiner der untersuchten Bodenproben konnte DEHP, Bisphenol A, polybromierte Diphenylether sowie Nonyl-/Octylphenol nachgewiesen werden. Signifikante Unterschiede zwischen Klärschlamm- und Referenz-Flächen waren bei Linearen Alkybenzolsulfonaten und Organochlorpestiziden nicht zu erkennen. Alle Befunde im Bezug auf Arzneimittel lagen unter der Nachweisgrenze.

Die von der Landesanstalt für Umweltschutz vorgestellten Ergebnisse sind in der Fachwelt nicht unumstritten. So bemängelte Ralf Mönicke von der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft im Rahmen des Symposiums, dass die auf den Versuchsflächen ausgebrachte 300-fache Klärschlammmenge natürlich zu einer Schadstoffanreicherung führen müsse. Die Ergebnisse seien zur Beurteilung der tatsächlichen landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung nicht geeignet.

Auch die einzelnen Ergebnisse müssen laut dem sächsischen Experten hinterfragt werden. So könne die Erhöhung der Schwermetallgehalte auf den Praxisflächen z. B. bei Kupfer nur zu 10 % bis max. 40 % auf die eingetragenen Kupferfrachten zurückgeführt werden. Damit dürfte die notwendige Signifikanz nicht mehr gegeben sein. Außerdem entsprächen die Absolutwerte der Schwermetallgehalte der Referenz- und Klärschlammflächen dem normalen Streubereich der Werte auf einer Fläche.

Auch bei organischen Schadstoffen sei die Erhöhung nur auf den Versuchsflächen und auf 2 bis 3 Praxisflächen nachweisbar, so der Einwand. Bei Wiederholungen seien zudem oft keine Unterschiede mehr gefunden worden (z. B. bei Organozinnverbindungen). Zudem lägen die absoluten Werte der Gehalte an organischen Schadstoffen oft nahe dem Fehlerbereich der Untersuchungsmethode und weit entfernt von der Schadensschwelle, führte Mönicke. Auch zeigten die übrigen Referenzflächen zum Teil höhere Gehalte an Dioxinen und Organozinnverbindungen als die klärschlammgedüngten Flächen.

Außerdem gehe die von der LfU für den Zeitraum von 70 Jahren durchgeführte Hochrechnung der Klärschlammausbringung mit dem Resultat der Kupfer- und Zink-Anreicherung an der Realität vorbei, argumentiert Mönicke auf dem Symposium. Die Grenzwerte der Klärschlammverordnung würden heute nur noch zu wenigen Prozenten ausgeschöpft. Auch der Bedarf an den Mikronährstoffen Kupfer und Zink würde in der Studie nicht berücksichtigt.

Nicht der Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Klärschlamm-Verwertung sei das Ziel, sondern die Schließung der Nährstoffkreisläufe besonders bei Phosphor durch die dramatische Endlichkeit der Ressource. Deshalb komme es auf eine umweltgerechte und ganzheitliche Beachtung aller In- und Outputfaktoren an. Durch Inputauswahl sei ein ausgeglichener bzw. negativer Bilanzsaldo erreichbar, so der Ausblick von Ralf Mönicke.

Die Studie ist in einer Kurz- und einer Langfassung erhältlich. Bezug: Verlagsauslieferung der LfU bei JVA Mannheim-Druckerei, Herzogenriedstr. 111, 68169 Mannheim, Fax: 0621/3 98-370 sowie über www.lfu.baden-wuerttemberg.de/lfu/abt1/veroeff/pdf/pub5.pdf , ISSN 0949-0256 (Bd. 14 - Langfassung, Bd. 15 - Kurzfassung, 2003). (SR)

Quelle: H&K 4/2003, S. 250

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