Bioaerosole in Bioabfallbehandlungsanlagen: Keine neuen Erkenntnisse

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat in seinem „Umweltgutachten 2004“ auf die positiven Wirkungen der Kompostanwendung für die Humusbilanz der Böden und die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit hingewiesen, gleichzeitig aber die Forderung nach Verminderung von Keimemissionen aus Bioabfallbehandlungsanlagen erhoben. Das Gutachten kann im Internet unter www.umweltrat.de aufgerufen werden.

1. Das Fachgespräch des BMU zu Mikroorganismen in der Umgebung von Bioabfallbehandlungsanlagen war gut besucht

Angesichts von Ausführungen des SRU zu Keimemissionen haben Bundesumweltministerium (BMU), Bundesforschungsministerium (BMBF) und Umweltbundesamt (UBA) am 30.09.2004 gemeinsam ein Fachgespräch zur Relevanz von Bioaerosolen in der Umgebung von Bioabfallbehandlungsanlagen durchgeführt. Das Gespräch fand mit ca. 100 Teilnehmern aus Vertretern von Ländern, Kommunen, Verbänden und Hochschulen eine hohe Resonanz.

Noch im Jahr 1985, so die Abteilungsleiterin im BMU, Henriette Berg, lag die Behandlungskapazität von Bioabfällen lediglich bei 100.000 t pro Jahr – heute liegt sie im Bereich von 7 – 8 Millionen t. Die Pflicht, Bioabfälle als verwertbare Materialien einzusetzen, ergibt sich aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und der TA-Siedlungsabfall. Auch werden die Vorgaben zur Getrennterfassung von Bioabfällen durch europäische Rechtsvorschriften zunehmend verbindlicher: So verlangt die EG-Deponierichtlinie, dass bis zum Jahr 2016 die Menge der abzulagernden biologisch abbaubaren Siedlungsabfälle auf 35 % der Mengen des Jahres 1995 zu reduzieren ist. Dieses Ziel soll insbesondere durch „Recycling, Kompostierung, Biogaserzeugung oder die Verwertung von Material/Rückgewinnung von Energie“ erreicht werden.

Sofern aus Gründen der Umwelthygiene nichts dagegen spricht, so Frau Berg in ihrem Eingangsstatement weiter, wird sich das BMU auch weiterhin für den Ausbau der Getrennterfassung von Bioabfällen und deren Verarbeitung in Kompostwerken und Vergärungsanlagen einsetzen. Die ökologische Bedeutung der Komposte ergibt sich unter anderem daraus, dass diese den Humusgehalt der Böden stabilisieren oder verbessern und die biologische Aktivität im Boden fördern. Dieser Aspekt gewinnt in der nachhaltigen Landbewirtschaftung immer mehr an Bedeutung.

Von Anfang an hat der Bund, so Frau Berg weiter, neben den klassischen Schadstoffen auch mögliche negative Beeinträchtigungen durch biologische Stoffe im Blickfeld gehabt. So bestehen seit langem flankierende Maßnahmen im Bereich des Arbeitsschutzes und des Immissionsschutzes, um gesundheitliche Risiken der Personen, die in Anlagen arbeiten sowie der Anwohner von Behandlungsanlagen zu minimieren. Auf die Novelle der TA-Luft vom 24.07.2002 wird in diesem Zusammenhang verwiesen.

Grundsätzlich bestehen vergleichbare Situationen auch in anderen Bereichen, in denen mit biologischem Material umgegangen wird, z. B. in der Landwirtschaft. Parallel zu der wachsenden Bedeutung der Bioabfallkompostierung haben sich bereits in den neunziger Jahren unter anderem der Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) und die VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft mit den Immissionen aus Kompostanlagen befasst und Minimierungsempfehlungen erarbeitet. Eine Zusammenstellung des LAI von bundesweit 31 Kompostwerken ergab im Jahr 2001, dass sich die Keimbelastung im Abstand von 100 bis 300 m von der Anlage in der Regel nicht mehr von den allgemeinen Hintergrundbelastungen unterscheidet.

Die auf das Einführungsreferat von Frau Berg folgenden Beiträge des Fachgespräches bezogen sich auf folgende Themen:

  • Position des Rates von Sachverständigen für Umweltfrage (Almut Reichel, SRU)
  • Gesundheitliche Relevanz von Mikroorganismen – Emissionen (Dr. Christel Grüner, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg)
  • Natürliche Hintergrundkonzentrationen von Schimmelpilzen in der Umwelt (Dr. Thomas Gabrio, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg)
  • Die Geruchsproblematik biologischer Behandlungsanlage
    (Dr. Ralf Both, Landesumweltamt NRW)
  • Bioaerosolmessungen in der Bioabfallbehandlung und Aspekte zur Messtechnik sowie zur Bewertung der Messwert (Prof. Dr. Reinhard Böhm, Universität Hohenheim)
  • Messungen der Bioaerosolemissionen und –immissionen aus Kompostierungsanlagen des Landes Nordrhein-Westfalen (Beate Schilling, Landesumweltamt NRW)
  • Emissionen von Mikroorganismen aus Kompostierungsanlagen und Messung der Immissionen in deren Umfeld (Prof. Peter Kämpfer, Justus-Liebig-Universität Giessen)
  • Übersicht über die derzeitige technische Ausstattung von Anlagen (Dr. Bertram Kehres, BGK - Bundesgütegemeinschaft Kompost e.V.)
  • Möglichkeiten der Modellierung der Ausbreitung von Mikroorganismen und Gerüchen als Hilfsmittel bei der Anlagenplanung (Prof. Müller, Niedersächsisches Landesamt für Ökologie)
  • Technische und betriebliche Maßnahmen zur Minderung der Emission von Bioaerosolen aus Bioabfallbehandlungsanlagen (Volker Kummer, Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie)
  • Immissionsschutzrechtliche Vorgaben für Bioabfallbehandlungsanlagen und biologische Restabfallbehandlungsanlagen (Wolfgang Butz, Umweltbundesamt)

Das Umweltbundesamt wird auf Grundlage dieser Fachbeiträge eine Zusammenfassung erstellen, die in Kürze im Internet unter der Homepage des Bundesumweltministeriums (www.bmu.de) veröffentlicht werden soll. (KE)


2. Bundesgütegemeinschaft Kompost weist Darstellung des Sachverständigenrates (SRU) zu Bioaerosolen aus Behandlungsanlagen für Bioabfälle zurück.

Am 30. September 2004 hatte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zu einem Fachgespräch über „Mikroorganismen in der Umgebung von Bioabfallbehandlungsanlagen“ eingeladen. Auslöser des Fachgespräches waren unter anderem Empfehlungen des Sachverständigenrates für Umwelt (SRU), Anforderungen der TA-Luft aus Gründen der Vorsorge gegen Umweltbeeinträchtigungen zu verschärfen. In seinem Umweltgutachten 2004 hatte der Rat gefordert, die „Emissionsanforderungen an Bioabfallbehandlungsanlagen so zu verschärfen, dass die Bevölkerung keiner Gesundheitsgefährdung durch Bioaerosole mehr ausgesetzt wird“.

Die Fachwelt war von dieser Wertung einigermaßen überrascht, zumal sich in den letzten Jahren zu diesem Punkt keine neuen Erkenntnisse ergeben haben und bestehende Erkenntnisse keinen Anlass für diesbezügliche Besorgnisse bieten. So hat die Bundesgütegemeinschaft die im Umweltgutachten angeführten Begründungen einer Prüfung unterzogen und festgestellt, dass die Aussagen des Gutachtens weder dem diesbezüglichen Diskussions- und Wissensstand entsprechen, noch den aktuellen Stand der Technik und die tatsächliche Betriebsweise in den Behandlungsanlagen widerspiegeln.

Die Stellungnahme der Bundesgütegemeinschaft Können sie hier [pdf] dokumentiert. Bei den zu kritisierenden Abschnitten des Umweltgutachtens (www.umweltrat.de, Umweltgutachten 2004, Kapitel 12, Seiten 789 – 822) fällt auf, dass viele Aussagen entgegen dem aktuellen Erkenntnisstand Ergebnis offen gehalten sind. Auf diese Weise entstehen Unsicherheiten und Fragen. Diese sind in der Literatur jedoch oft bereits beantwortet und Lösungsansätze in der täglichen Praxis längst umgesetzt worden. Im Gutachten wird dies jedoch nicht aufgezeigt.

Von „Neuen“ gesundheitsbezogenen Umweltrisiken (Überschrift Kapitel 12 des SRU-Gutachtens) kann bei den biologischen Aerosolen (Kapitel 12.1) nicht die Rede sein. Im Hinblick auf Bioaerosole ist es keineswegs so, dass dieses Thema ein „Neues“ wäre und es ist auch nicht so, dass Arbeiter und Anwohner deshalb plötzlich unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt wären oder Behörden sich unsicheren Rechtslagen gegenüber sehen müssten, wie dies die Ausführungen des Gutachtens im Gesamtkontext erscheinen lassen.

Die Qualität der Abfallentsorgung und die Umwelttechnik haben hinsichtlich genehmigungsrechtlicher, bautechnischer, organisatorischer und arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen in den letzten Jahren enorme Fortschritte erfahren. Aussagen im Umweltgutachten zum Thema Bioaerosole stützen sich aber auf zum Teil über 20 Jahre alte Literaturstellen. Gleichzeitig wird eine Aktualität des Gutachtens als Stand 2004 behauptet. Die Faktenlage in Literatur und Praxis ist eine andere.

Zum Arbeitsschutz verweist die Stellungnahme der Bundesgütegemeinschaft auf die umfangreichen Rechtsbestimmungen für die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen in der Abfallwirtschaft und zeigt auf, dass die Umsetzung dieser Vorgaben für die in der Abfallwirtschaft beschäftigten Mitarbeiter nach aktuellem Wissenstand ein hohes Maß an gesundheitlicher Sicherheit gewährleistet. Gleichzeitig kommt Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein hohes Maß an Eigenverantwortung zu.

In den letzten Jahren sind keinerlei epidemiologische Studien erstellt worden, die ein Langzeitrisiko der Beschäftigten in der Abfallwirtschaft anzeigen. Auch vor dem Hintergrund der Daten von Berufsgenossenschaften und Versicherungsträgern sind keine Statistiken oder Veröffentlichungen bekannt, die erhöhte Berufsunfähigkeitsrisiken und Krankheiten der Beschäftigten in der Abfallwirtschaft durch Bioaerosole darlegen. Verwunderlich ist daher, dass der Umweltrat im Bericht 2004 diesen Themenbereich erneut aufgreift und mit zum Teil alten Daten und ohne ausreichende Kenntnisnahme der aktuellen betrieblichen Praxis neu problematisiert.

Im Gegensatz zum Arbeitsschutz bestehen beim Emissionsschutz keine festen Grenzwerte für Bioaerosole oder definierte Abstandsregeln zu ständigen Wohnbebauungen. Im Rahmen der Standortfindung und der technisch/ organisatorischen Ausführungen haben aber sowohl Genehmigungsbehörden als auch Anwohner auf Basis geltender Rechtsbestimmungen und Richtlinien alle Möglichkeiten, einen objektiv risikofreien Betrieb von Abfallwirtschaftsanlagen durchzusetzen.

Im Umweltgutachten selbst wird festgestellt, dass es zu Fragen der Betroffenheit von Anwohnern und sonstigen Bürgern durch Bioaerosole deutlich wenigere Untersuchungen gibt, als dies bei Arbeitern in der Abfallwirtschaft der Fall ist. In neuerer Zeit gab es jedoch durchaus Veröffentlichungen, die sich dem Emissionsschutz von Anwohnern widmen. Eindeutige Aussagen sind jedoch beim Normalbetrieb abfalltechnischer Anlagen kaum möglich gewesen. Dies liegt vorwiegend an der sehr schnellen Verdünnung der Emissionen aus diesen Anlagen. Verschiedene Veröffentlichungen zeigen, dass nach wenigen hundert Metern im Abwind der Anlagen meist die gleichen Bioaerosolbedingungen bestehen, wie im Zugwind der Anlagen.

Unter bestimmten worst-case Bedingungen können Bioaerosole aber auch deutlich weitere Wege zurücklegen und in größeren Entfernungen normale Hintergrundwerte deutlich übersteigen. Solche worst-case Bedingungen sind allerdings untypische Betriebsabläufe und unter Praxisbedingungen weitgehend ausgeschlossen. Bereits grundlegende Maßnahmen der Betriebsführung nach guter fachlicher Praxis genügen, um solche Situationen auszuschließen. Dass das Umweltgutachten solche Zusammenhänge ignoriert, und worst-case Szenarien zu allgemeinen Gefährdungsbehauptung benutzt, ist völlig unverständlich.

Die im Umweltgutachten zum Thema Bioaerosole geforderten Verschärfungen von Rechtsbestimmungen (z.B. der TA-Luft) können weder aus den im Gutachten aufgeführten Sachverhalten noch aus sonstigen aktuellen Forschungsergebnissen abgeleitet werden. „Neue“ gesundheitsbezogene Risiken sind nicht zu erkennen. So werden bestehende Rechtsbestimmungen und Richtlinien nicht oder unzureichend genannt. Etablierte technische und organisatorische sowie sonstige geeignete betriebliche Maßnahmen, die häufig einen erwiesenen und angemessenen Schutz von Beschäftigten und Anwohnern von Abfallwirtschaftsanlagen gewährleisten, werden nicht oder nicht ausreichend gewürdigt. Auf diese Weise, so das Resümee der BGK-Stellungnahme, wurde es versäumt, im Rahmen des Umweltgutachtens 2004 eine auf ständige Optimierung angewiesene Emissions- und Immissionsdiskussion vorwärts zu bringen.

3. Fragen und Antworten zu Bioaerosolen

Das Umweltbundesamt (UBA) hat in Vorbereitung des BMU-Fachgespräches vom 29.09.2004 über „Mikroorganismen in der Umgebung von Bioabfallbehandlungsanlagen“ an die Beteiligten einen umfangreichen Fragenkatalog herausgegeben mit der Bitte, im Rahmen der vorgesehenen Podiumsdiskussion Antworten auf die Fragen einzubringen. Im Einzelnen wurden nachstehende 8 Fragen genannt. Die Bundesgütegemeinschaft Kompost (BGK) hat sich in einer Arbeitsgruppe Ihres Bundesgüteausschusses mit diesen Fragestellungen eingehend befasst und aus der ihr zur Verfügung stehenden Literatur eine Fülle von Aussagen und Bewertungen zusammen getragen. Links zu den „Antworten“ (pdf-Dateien) - also zu den teilweise mehr als 10 Seiten umfassende Zusammenstellung mit Informationen für jede Fragestellung - befinden sich unmittelbar im Anschluss an die Fragen.

Frage 1: Wie sind die normalen Hintergrundkonzentrationen für Schimmelpilze und Bakterien in der Außenluft? Link zur Antwort zu Frage 1 (pdf)

Frage 2: Inwieweit tragen Kompostierungsanlagen zur Erhöhung der Konzentration an Schimmelpilzen und Bakterien in der Umgebungsluft bei? Gibt es Unterschiede zwischen geschlossenen und offenen Anlagen? Welche Parameter könnte als Leitparameter für die Immission von Bioaerosolen aus Kompostierungsanlagen dienen? Link zur Antwort zu Frage 2 (pdf)

Frage 3: Wie ist die Geruchsbelästigung in der Umgebung von Anlagen? Gibt es Unterschiede zwischen geschlossenen und offenen Anlagen? Link zur Antwort zu Frage 3 (pdf)

Frage 4: Welche Modelle eignen sich zur Schätzung der Ausbreitung von Schimmelpilzen/Bakterien und Gerüchen aus Kompostanlagen? Gibt es belastbare Daten zur Immission und zum entfernungsabhängigen Konzentrationsrückgang? Link zur Antwort zu Frage 4 (pdf)

Frage 5: Lassen sich die Erkenntnisse zur Ausbreitung von Bioaerosolen aus Kompostierungsanlagen verallgemeinern? Können die potentiellen Belastungen der Anwohner bei der Standortwahl durch Modellierung geschätzt und davon abhängig Minderungsmaßnahmen gefordert werden? Link zur Antwort zu Frage 5 (pdf)

Frage 6: Wie wirken sich die Anforderungen der TA-Luft auf den Schutz der Bevölkerung vor Bioaerosolen aus? Sind sie ausreichend (Abstandsreglung)? Welche Bandbreite technischer Standards gibt es bei Bestandsanlagen und wie müssen die Anlagen innerhalb der Übergangsfristen der TA-Luft nachgerüstet werden? Link zur Antwort zu Frage 6 (pdf)

Frage 7: Gibt es bei Einhaltung der bestehenden Vorschriften eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung durch Kompostierungsanlagen? Welchen Einfluss haben hier die unterschiedlichen Anforderungen bei Alt- und Neuanlagen? Welche gesundheitlichen Wirkungen sind ggf. zu erwarten? Link zur Antwort zu Frage 7 (pdf)

Frage 8: Mit der 30. BimSchV wurden für mechanisch- biologische Restabfallbehandlunganlagen ein hohes Maß an Vorsorge gegen schädliche Umweltwirkungen sowie gegen Gefährdungen und Belastungen der Anwohner gefordert. Durch welche Maßnahmen kann die Dynamisierungsklausel der TA-Luft zur Begrenzung von Bioaerosolen konkretisiert werden, um ein ähnlich hohes Maß an Vorsorge zu erreichen? Welche Synergieeffekte können durch diese Maßnahmen zur Minderung der Immissionen von Klimagas, organischen Stoffen und Geruchsstoffen erzielt werden? Link zur Antwort zu Frage 8 (pdf)

 

4. Einordnung von Bioaerosolen in die Vorsorgediskussion

Rechtsbestimmungen des Umweltschutzes dienen der Abwehr von Gefahren für die Natur und den Menschen. In der Regel sind dabei sowohl akute als auch latente Gefahren abzuwehren.

  • Bei den latenten Gefahren, geht es um Langzeitwirkungen. Hier werden vor allem Akkumulations- oder Erosionsprozesse in Umweltkompartimenten betrachtet und ggf. geeignete Vorsorgerichtwerte bestimmt, um das Entstehen potentiell schädlicher Umweltwirkungen im Vorfeld zu vermindern oder zu vermeiden.
  • Bei der akuten Gefahrenabwehr geht es dagegen darum, eine konkret bestehende Gefahr abzuwenden. Dies bezieht sich vor allem auf mögliche biotoxische Situationen, die begrenzt oder ausgeschlossen werden müssen.
  • Gefahren und Möglichkeit des langfristigen Entstehens schädlicher Umweltwirkungen können von verschiedenen Stoffgruppen ausgehen.
  • Im Grundsatz kann dabei folgende Gliederung vorgenommen werden: Nicht abbaubare mineralische Schadstoffe (z.B. Schwermetalle), die sich sowohl in belebten als auch unbelebten Systemen anreichern können. 
  • Mehr oder minder stark abbaubare organische und mineralische Schadstoffe, die durch biologische bzw. durch chemische Naturprozesse (die unterschiedlich schnell ablaufen können) in ungefährliche Stoffe umgewandelt werden. Eine anteilige Anreicherungsgefahr besteht nur bei sehr geringer Abbaubarkeit, was sich auf wenige Stoffgruppen beschränkt (z.B. auf Dioxine).
  • Belebte und abgestorbene organische Partikel mit potentiell schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Natur, die durch massenweises Auftreten ihrer Ursprungsorganismen in gefährlichen Mengen entstehen können (z. B. Bioaerosole). Wegen der raschen Abbaubarkeit dieser organischen Bestandteile besteht keine Akkumulationsgefahr.

Ausgehend von dieser Gruppierung, muss die jeweils akute Gefährdung von Mensch und Natur ausgeschlossen werden. Dafür werden Prüf- und Maßnahmenwerte festgesetzt und auf Einhaltung kontrolliert. Bei Überschreitung der Werte sind Schutz-, Sicherungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen einzuleiten.

Anders verhält es sich bei Maßnahmen der Vorsorge. Hier müssen deutliche Unterschiede zwischen den genannten Stoffgruppen gemacht werden. Während abbaustabile mineralische Schadstoffe eine gezielte Vorsorgestrategie zur Akkumulationsbegrenzung verlagen, ist dies für organische Schadstoffe nicht in diesem Maße erforderlich. Bei Bioaerosolen, die in der normalen Umwelt in einer Größenordnung von ca. 101 bis 104 KBE/cm3 Luft auftreten, kann eine akute Gefahrenabwehr nicht geleistet werden und ist auch nicht sinnvoll. Hier muss das Ziel der Vorsorge vielmehr auf Maßnahmen der Stärkung der biologischen Abwehrkräfte des Menschen gerichtet werden, was neue medizinische Forschungen auch anstreben.

Zur Vermeidung von Bioaerosolen sind somit keine vorsorgende Akkumulationsvermeidungsstrategien mit ihren sehr niedrigen Schwellenwerten erforderlich. Erforderlich ist lediglich der Ausschluss von stark erhöhten Konzentrationen, wie dies z.B. bei den Bestimmungen des Arbeitsschutzes für Beschäftigte in Abfallbehandlungsanlagen der Fall ist. Für Anwohner solcher Anlagen sind solche Bestimmungen nicht erforderlich, da vergleichbare Konzentrationen an Bioaerosolen bei vorschriftsmäßigem Betrieb der Anlage nicht auftreten.

5. Stand von Kompostanlagen im Hinblick auf bauliche Anforderungen der TA Luft

Die hier vorgestellte Übersicht bezieht sich im wesentlichen auf Kompostierungsanlagen, die der RAL Gütesicherung der Bundesgütegemeinschaft unterliegen. Schätzungen zufolge sind dies ca. 60 % der in Deutschland betriebenen Anlagen und ca. 70 % der erzeugten Komposte.

In Abhängigkeit von Art, Zusammensetzung und der Menge der eingesetzten Ausgangsstoffe können sowohl technisch aufwändige eingehauste Kompostwerke als auch technisch einfache offene Mietenkompostierungsanlagen angemessen sein und dem Stand der Technik entsprechen.

Als Maßnahmen gegen unerwünschte Emissionen (Geruch, Bioaerosole) können sowohl betriebliche Maßnahmen (d.h. Maßnahmen der Prozessführung) als auch bauliche Maßnahmen wirksam sein. Letztere führen zu aufwändigeren Ausstattungen (Einhausung, Abluftfassung, Abluftreinigung).

Unabhängig von der technischen Ausstattung gilt es ferner, zwischen vorbildlicher und mangelhafter Praxis der Betriebsführung zu unterscheiden. Genehmigte Kompostanlagen weisen in der Praxis der Betriebsführung ein Spektrum auf, dessen unteres Ende einer guten fachlichen Praxis in keiner Weise entspricht. In solchen Fällen werden häufig auch Genehmigungsauflagen und Rechtsverpflichtungen missachtet. Mit einer „Checkliste Betriebsqualität“ beugt die Bundesgütegemeinschaft in Anlagen mit RAL Gütesicherung solchen Missständen vor.

Kompostanlagen gesamt (BGK)

Der Gütesicherung der BGK unterliegen derzeit 431 Kompostanlagen. 29 % der Anlagen verarbeiten ausschließlich Garten- und Parkabfälle (Grünabfälle). Die mittlere Anlagenkapazität beträgt 7.260 t. 71 % der Anlagen verarbeiten Bioabfälle aus Haushaltungen, Garten- und Parkabfälle sowie sonstige Abfälle. Die mittlere Anlagenkapazität beträgt 18.577 t.

Kompostanlagen für reine Garten- und Parkabfälle


Gegliedert nach den Baumustergruppen des Hygiene-Baumuster-prüfsystems (HBPS) der Bundesgütegemeinschaft, sind 99 % der Kompostanlagen für Grünabfälle offene Anlagen (Baumustergruppe 6 des HBPS). Von diesen haben 20 % eine genehmigte Anlagenkapazität von weniger als 3.000 t, 57 % eine genehmigte Anlagenkapazität von bis zu 10.000 t und 23 % eine genehmigte Kapazität > 10.000 t p.a.. Nur 1 % der Kompostanlagen für Grünabfälle sind geschlossene Anlagen (Baumustergruppen 1-5 und 7 des HBPS).

Kompostanlagen für gemischte Bioabfälle

54 % der Kompostanlagen für „gemischte Bioabfälle“ (d.h. mit mehr oder weniger großen Anteilen aus der Biotonne) sind offene Anlagen (Baumustergruppe 6 HBPS). Von diesen haben 5 % eine genehmigte Anlagenkapazität von weniger als 3.000 t, 59 % von bis zu 10.000 t und 36 % eine genehmigte Anlagenkapazität > 10.000 t p.a.. 46 % der Kompostanlagen für „gemischte Bioabfälle“ sind geschlossene Anlagen (Baumustergruppen 1-5 und 7 des HBPS). Von diesen haben 15 % eine genehmigte Anlagenkapazität von bis zu 10.000 t und 85 % eine genehmigte Anlagenkapazität > 10.000 t.

Vergleich Alte Länder / Neue Länder

220 Kompostanlagen für gemischte Bioabfälle liegen in den alten Bundesländern, 87 in den neuen Ländern (Nur BGK Anlagen. In den neuen Ländern ist der Organisationsgrad der Gütesicherung niedriger als in den alten Ländern). In den alten Ländern sind 54 % der Anlagen für gemischte Bioabfälle geschlossen ausgeführt, in den neuen Ländern dagegen nur 23 % (Tabelle 1).

Daraus ergibt sich, dass die Genehmigung von Kompostanlagen für gemischte Bioabfälle in den alten Ländern im Mittel aufwändigere technische Ausstattungen vorgibt als in den neuen Ländern (Einhausung, Ablufterfassung, Biofilter). Betrachtet man nicht nur BGK-Anlagen, sondern alle Anlagen, werden die Unterschiede noch deutlicher.

Tabelle 1: Kompostanlagen für gemischte Bioabfälle. Alte/Neue LänderBGK


Wettbewerb und Qualität im Zielkonflikt

Unterschiedein der Genehmigungspraxis von Kompostanlagen können sowohl innerhalb als auch zwischen den Ländern zu Wettbewerbsnachteilen für technisch aufwändigere Anlagen führen mit der Folge, dass sich Bioabfälle aus Kostengründen den Weg zu technisch weniger aufwändigen und damit billigeren Anlagen suchen.

Auch mangelnde Betriebsqualität innerhalb von Kompostanlagen (z.B. mangelnder Vollzug bestehender Genehmigungsauflagen oder mangelhafte Betriebsführung) kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen mit der Folge, dass Anlagen mit höherem technischen Standard und/oder vorbildlicher Betriebsführung (und damit verbundenen höheren Personal- und Qualifikationskosten) Wettbewerbsnachteilen
ausgesetzt sind.

Für Systeme der freiwilligen Gütesicherung werden sowohl die „horizontalen“ Unterschiede in der Genehmigung von Anlagen als auch die „vertikalen“ Unterschiede in der Qualität des Anlagenbetriebes selbst zu einem zunehmenden Problem. Qualität macht sich in einem Wettbewerb, in dem zunehmend nur noch das billigste Angebot zählt, buchstäglich nicht mehr bezahlt. Die Durchsetzung vergleichbarer Standards ist daher in beiden Richtungen (horizontal und vertikal) eine wesentliche Voraussetzung für Rechtsgleichheit, Wettbewerbsfähigkeit und Chancenmöglichkeit für Qualität.

Emissionen und Immissionen

Relevante Emissionen sind v.a. Gerüche und Bioaerosole. Wegen ihrer unterschiedlichen stofflichen Eigenschaften (Gase, Partikel) haben sie unterschiedliche Ausbreitungsdynamiken. Während Geruchsemissionen materialspezifische Ursachen haben (strukturarme, nasse, leicht abbaubare Bioabfälle), sind Keimemissionen weniger materialspezifisch. Aus diesem Grunde betreffen Geruchsemissionen v.a. Anlagen, die höhere Anteile an strukturarmen, nassen und schnell abbaubaren Bioabfällen verarbeiten, während Keimemissionen bei allen Arten von Bioabfällen und Kompostanlagen (Bioabfallkompostanlagen, Grünabfallkompostanlagen) sowie in allen Rottestadien und Anlagenbereichen auftreten. Die Beurteilung der Erfordernis von bautechnischen Maßnahmen zur Reduzierung von Geruchsemissionen (Einhausung von Anlagenteilen, Abluftfassung, Abluftreinigung) hängt von folgenden Sachverhalten ab:

  • Topographische Lage des Betriebs und Abstand zur Wohnbebauung.
  • Mengenanteile an geruchsrelevanten Ausgangsstoffen
  • Zeitliche Verarbeitung nicht lagerfähiger Bioabfälle (bei sofortiger Bearbeitung kann auf einen Anlieferungsbunker verzichtet werden)
  • Einstellung und Gewährleistung günstiger aerober Rottebedingungen
  • Beachtung vorherrschender Windrichtungen bei Außenarbeiten (Häckseln, Umsetzen, Sieben)In Abhängigkeit von vorgenannten Bedingungen sollten erforderliche betriebliche Auflagen oder bautechnische Maßnahmen jeweils im Einzelfall bestimmt werden. Bei der Anwendung der TA Luft (Abstandsregelungen, Einhausung) ist der Mengenanteil an geruchsrelevanten Bioabfällen zu berücksichtigen. Keinesfalls sind Anlagen der Ausbaugröße 3.000 bis 10.000 t unabhängig von der stofflichen Beschaffenheit und der mengenmäßigen Zusammensetzung der Bioabfälle grundsätzlich einzuhausen. Dies gilt auch für Anlagen > 10.000 t, wenn geruchsrelevante strukturarme Bioabfälle keinen wesentlichen Anteil haben (z.B. bei Anlagen zur Kompostierung von Grünabfällen). (KE)

 

Quelle: H&K 4/2004, S. 247

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