Bedeutung der Vogelgrippe für die Kompostierung

Die Geflügelpest (Vogelgrippe), die durch den Virus-Subtyp Influenza A/H5N1 verursacht wird, ist wie alle anderen durch Influenzaviren verursachten Geflügelkrankheiten eine anzeigepflichtige Tierseuche, von der insbesondere Hühner, Puten, Gänse, Enten und wildlebende Wasservögel, aber auch viele andere Vögel betroffen sein können. In Einzelfällen sind die Viren in den vergangenen Jahren auch auf Säugetiere und auf Menschen übertragen worden. Dem Internet können hierzu vielfältige Informationen entnommen werden (unter anderen www.fli.bund.de, www.rki.de, www.bmg.bund.de, www.bmelv.de).

Der Begriff Vogelgrippe wurde bis vor kurzem völlig gleichbedeutend mit dem Begriff Geflügelpest verwendet. Als Folge der aktuellen Vogelgrippe-Pandemie wird er inzwischen aber immer stärker eingeengt auf den Seuchenzug des Influenza-Subtyps A/H5N1 bezogen.

Der Erreger der Vogelgrippe (A/H5N1) ist ein als hoch pathogenes aviäres Influenzavirus (HPAIV) bezeichnetes Influenza-Virus (also Grippevirus) und damit ein behülltes Einzel(-)-Strang-RNA-Virus [ss(-)RNA] aus der Familie der Orthomyxoviren. Bei diesen Influenzaviren gibt es vier Gattungen: Influenza-A, Influenza-B, Influenza-C und das Thogotovirus. Vögel werden nur von Influenza-A-Viren und deren Varianten bzw. Subtypen befallen.

Durch ständige Genveränderungen entstehen ständig neue Varianten der Grippeviren. Diese werden nach bestimmten Oberflächeneigenschaften in Subtypen eingeteilt. Bisher wurden 16 H-Untertypen und 9 N-Untertypen erkannt. Der Subtyp A/H5N1 etwa hat auf seiner Oberfläche die 5. Variante des Hämaglutinins (H5) sowie die 1. Variante der Neuraminidase (N1). Diese Untertypen befallen üblicherweise jeweils nur bestimmte Wirte, während sie von einer weiteren Anzahl an Infektionsvektoren verbreitet werden können, ohne dass diese Tiere erkranken.

Der Subtyp A/H5N1 gilt als besonders aggressiv (HPAI, High Pathogenic Avian Influenza). Ein verändertes Nichtstruktur-Gen führt bei ihm dazu, dass bestimmte Botenstoffe des Immunsystems, welche normalerweise Viren abwehren, keine Wirkung mehr gegenüber dem A/H5N1-Subtyp erzielen. Deshalb tötet er sehr schnell befallene Vögel, die nicht zu seinem Virusreservoir gehören, und er wird daher wegen seiner pathogenen Eigenschaften auf Interdependenzen mit anderen Stämmen und Überschreitungen der Artenbarriere aufmerksam beobachtet.

Ein wichtiges epidemiologisches Kriterium bei der Beurteilung des Gefahrenpotenzials ist die Überlebens- und damit Infektionsfähigkeit (Tenazität) des Virus in der Außenwelt. Die Angaben in der internationalen Literatur sind widersprüchlich. Im Folgenden sind einige Angaben von verschiedenen Autoren zusammengestellt. Insgesamt lässt sich sagen, dass das Virus in der Außenwelt vergleichsweise wenig resistent ist.

Auf inerten Medien (z.B. Kunststoff, Holz etc.) ist eine Überlebensfähigkeit von 1 – 2 Tagen in Abhängigkeit von Temperatur und Feuchtigkeit belegt. Speziell für das humane Influenzavirus werden 2 – 8 Stunden angegeben. In organischem Material wie Körpersekret, Kot, etc. kann das Virus aber, v.a. bei niedrigen Temperaturen, einige Monate überstehen. Die Überlebenszeit in organischem Material (Kot, Geflügelfleisch und Eier) beträgt bei 4 °C 30 Tage, bei 20 °C zwischen 3 und 7 Tagen, bei 22 °C 4 Tage. In Flüssigmist kann das Virus bis zu 105 Tage infektionsfähig bleiben. In gefrorenem Material ist die Haltbarkeit unbegrenzt. Temperaturen über 60 °C töten das Virus in 5 Minuten sicher ab. Es ist empfindlich gegen Hitze, Trockenheit, extreme pH-Werte (pH < 5 und > 11) und Desinfektionsmittel. Direktes Sonnenlicht inaktiviert das Virus ebenfalls. Desinfektionsmedien wie Formaldehyd oder Peressigsäure wirken zuverlässig.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass trotz nur geringer Haltbarkeit in der Außenwelt, bei Vorliegen des Virus in organischem Material bezogen auf die Wintermonate von einer längeren Infektionsfähigkeit ausgegangen werden kann.

Nach den aus der Literatur entnommenen Angaben zur Tenazität reichen Prozesseinflüsse von Temperaturen > 55 °C in 2 Wochen in einer offenen Mietenkompostierung bzw. 65 °C über eine Woche in einer geschlossenen Anlage (Boxen- oder Containerkompostierung), wie sie nach der Bioabfallverordnung vorgeschrieben sind aus, um Geflügelpestviren zu eliminieren. Praktische Untersuchungen zum Überlebensverhalten von Geflügelpestviren in der Mietenkompostierung liegen bisher aber nicht vor.

Da mit Ausnahme der Tauben alle Vogelspezies Influenza-Virusträger sein können, ist die Beurteilung der Bedeutung dieses Übertragungsweges von besonderer Bedeutung. Die in Deutschland angeordnete zeitweilige Stallpflicht für Geflügel hat den Zweck, eine Übertragung der in Rede stehenden Viren von Zugvögeln auf Nutzgeflügel zu verhindern. Eine
Übertragung auf Wildvögel kann damit nicht verhindert werden.

Vor diesem Hintergrund erscheinen besondere Vorsorgemaßnahmen für die offene Mietenkompostierung derzeit weder sinnvoll noch erforderlich. Zum einen würde das Virus, soweit in Bio-, Garten- oder Parkabfällen vorhanden, durch die eingesetzten Kompostierungsverfahren, die neben den vorgeschriebenen Temperaturen und Einwirkungszeiten auch ein Umsetzen der Mieten (Einmischung von Randschichten) beinhalten, abgetötet. Zum anderen ist eine Übertragung von ggf. eingetragenen Viren auf Hühner wegen des Anwendungszweckes der Komposte (Bodenverbesserung und Düngung auf Ackerflächen) praktisch ausgeschlossen.

Im Falle eines amtlich festgestellten „Geflügelpest-Falles“ wäre die aerogene Verfrachtung (Luftübertragung) von Influenza-Viren zu beurteilen. Je nach Standort und mikroklimatischen Bedingungen kommt eine Verfrachtung über Stäube in Betracht. Soweit relevante Emittenten in unmittelbarer Nähe von Kompostierungsanlagen liegen, wäre z.B. zu überlegen, die Oberfläche offen liegender Mieten mit 2 %-iger Kalilauge zu besprühen oder der Miete ein Überzug mit Kalkmilch zu verabreichen, um möglicherweise über die Luft übertragene Influenza-Viren an der Mietenoberfläche zu inaktivieren, um einer aerogenen Weiterverfrachtung beim Umsetzvorgang vorzubeugen.

Unter Heranziehung der theoretischen Daten zur Tenazität von Influenza-Viren bei unterschiedlichen Temperaturbedingungen kann man nach fachlicher Einschätzung davon ausgehen, dass ein mit Influenza-Viren beaufschlagter Bioabfall, der nach den Vorgaben der Bioabfallverordnung bzw. den Bestimmungen der Bundesgütegemeinschaft Kompost behandelt wurde, als „fertiger Kompost“ kein Influenza-Träger mehr sein wird. Für offene Mietenkompostierungsverfahren gilt dies unter dem einschränkenden Verweis, dass fertige Mieten oder fertiger Kompost bei der Lagerung im Freien wiederum durch Vogelkot beaufschlagt werden können. Dieses „Restrisiko“ ist jedoch tolerierbar, da es sich nicht von jenen unvermeidlichen Restrisiken unterscheidet, die sich ganz allgemein aus der „Beaufschlagung“ gartenbaulicher und landwirtschaftlicher Nutzflächen durch Vogelkot ergeben. Insgesamt ist die ordnungsgemäße Kompostierung gemäß der Bioabfallverordnung, die in gütegesicherten Anlagen auch einer unabhängigen Kontrolle unterliegt, eine Behandlung zur Hygienisierung, die aufgrund der bekannten Daten zur Tenazität auch das Abtöten von Erregern der Geflügelpest einschließt.

Weitere Fragen ergeben sich im Umgang mit Bioabfällen bezüglich der in Kompostanlagen und Kompostwerken Beschäftigten, etwa bei der Vorsortierung von Bioabfällen (Sortierkabine) oder der Wartung von Maschinen. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass in Bio-, Garten- und Parkabfällen auch einmal ein toter Vogel vorhanden ist. Eine Gefährdung für die Beschäftigten ergibt sich daraus jedoch nicht.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass zwischen Vögeln und Säugetieren, d.h. auch zwischen Vögeln und Menschen eine erhebliche Barriere besteht. Säugetiere und Menschen müssen sehr große Virusmengen aufnehmen, um sich zu infizieren. Nur Geflügel scheidet im Krankheitsfall so viel Virus aus, dass sich andere Tierarten oder Menschen anstecken können. Enten und Gänse bilden hier ein Reservoir für Influenzaviren.

Für die in Behandlungsanlagen Beschäftigten bedeutet dies, dass die für diese Anlagen geltenden spezifischen hygienischen Bestimmungen ausreichend sind, um einer ohnehin sehr unwahrscheinlichen Übertragung von Geflügelpestviren auf Beschäftigte vorzubeugen. Als geltende Schutzmaßnahmen sind u.a. die „Technischen Regeln biologische Arbeitsstoffe“ (TRBA), zu nennen, etwa „Allgemeine Hygienemaßnahmen: Mindestanforderungen“ (TRBA 500), „Abfallsortieranlagen: Schutzmaßnahmen“, (TRBA 210), „Biologische Abfallbehandlungsanlagen: Schutzmaßnahmen“, (TRBA 211) oder „Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen“ (TRBA 400).

Zusammenfassend lässt sich zum Arbeitsschutz sagen, dass es umfangreiche Rechtsbestimmungen für die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen in der Abfallwirtschaft gibt und die Umsetzung dieser Vorgaben für die in der Abfallwirtschaft beschäftigten Mitarbeiter nach aktuellem Wissensstand ein hohes Maß an gesundheitlicher Sicherheit gewährleistet.

Die Übertragung von Geflügelpestviren auf in Bioabfallbehandlungsanlagen Beschäftigte ist bei Einhaltung der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen (Handschuhe tragen, Hände vor dem Essen waschen, Schutzbelüftungen in Sortierkabinen u.a.) praktisch ausgeschlossen. Als Hinweis an dieser Stelle kann von den Verantwortlichen darauf hingewiesen werden, dass die in den Anlagen bestehenden allgemeinen Hygienevorschriften von den Beschäftigten auch eingehalten werden sollten. Die Sorge um die Vogelgrippe gibt dafür sicherlich Gelegenheit.

Weitere Informationen erhalten Sie in der Geschäftsstelle.

Quelle: H&K 1/2006, S. 16

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