Abschied von der Getrenntsammlung? Antwort der Regierung auf kleine Anfrage der FDP

Ein Testlauf bei der RWE Umwelt AG Essen habe gezeigt, dass bei der Mülltrennung auf automatisierten Anlagen mehr Wertstoffe und Verpackungsmaterialien verwertet werden könnten, als bei der getrennten Sammlung über das Duale System Deutschland (DSD). Die gewonnenen Stoffe hätten bei deutlich geringeren Kosten zum Teil eine bessere Qualität als bei der Trennung von Hand. In der nunmehr vorliegenden Antwort (DS 15/1078) stellt die Bundesregierung in den Vorbemerkungen dazu zunächst grundsätzlich folgendes fest:

Die getrennte Erfassung bestimmter Abfälle ist eine Grundvoraussetzung für viele Formen der stofflichen Verwertung. Durch die getrennte Erfassung erreicht Deutschland hohe Verwertungsquoten, insbesondere bei Verpackungen. Deutschland hat neben Dänemark und den Niederlanden die Spitzenstellung in Europa und führt bei der Kunststoffverwertung mit Abstand, vor allem durch die Verwertung von Verpackungsabfällen, die im dualen System verwertet wurden. Vermischung mit anderen Abfällen verhindert oder vermindert eine qualitativ hochwertige Verwertung. Dies gilt unter anderem für Bioabfälle zur anschließenden Kompostierung, für die Altpapiersammlung oder die Altglassammlung.

Mit Interesse verfolgt die Bundesregierung allerdings Versuche, so die Vorbemerkungen weiter, Sortiertechnologien weiter zu entwickeln unter anderem mit dem Ziel, verwertbare Fraktionen auch aus Abfallgemischen auszusortieren. Über die Ergebnisse derartiger Versuche liegen bislang keine hinreichend konkreten Angaben vor. Dies gilt zum einen für die Menge und Qualität aussortierter Wertstoffe, zum anderen aber auch für die Kosten der Sortierung.

Auch bei Testläufen der RWE Umwelt AG in Essen, auf den in der vorliegenden kleinen Anfrage Bezug genommen wird, wurde nach Angaben der RWE Umwelt AG ausdrücklich an der Getrenntsammlung festgehalten. Es wurde ausschließlich Müll aus der grauen Tonne sortiert. Unter anderem war die getrennte Erfassung von Bioabfällen in einer Biotonne eine unabdingbare Voraussetzung des Versuchs, so die Bundesregierung in ihrem Vorwort weiter.

Auszüge der Antworten der Bundesregierung auf einzelne Fragen (insgesamt waren es 19 Fragen) werden wie folgt zitiert:

Hat die Bundesregierung Kenntnis von den Medienberichten sowie den dort zitierten jüngeren Erfahrungen, Untersuchungen und Tests, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen leitet sie daraus ab?

Die Bundesregierung hat Kenntnis von dem Bericht des ARD-Magazin „Plus-Minus“. Die Bundesregierung hat auch Kenntnis von dem Sortierversuch der RWE Umwelt AG in Essen sowie von dem erwähnten Trockenstabilat-Verfahren der Firma Herhoff Umwelttechnik und dem auf dem Verfahrensprinzip der Vergasung kohlestoffhaltiger Materialien basierenden und bundesweit singulären Verwertungsverfahren des SVZ „Schwarze Pumpe“.

Sowohl das Trockenstabilatverfahren als auch das Verwertungsverfahren des SVZ „Schwarze Pumpe“ sind nicht geeignet, ohne vorgeschaltete Trennung bestimmter Abfallfraktionen die Verwertungsanforderungen der Verpackungsverordnung zu erfüllen. Konkrete auswertbare Ergebnisse über die im Rahmen des RWE-Versuchs aussortierten Wertstoffe und über die Kosten der Sortierung liegen der Bundesregierung nicht vor. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass bei dem Versuch, bei dem nach Angaben der RWE Umwelt AG auf einer Anlage in Essen innerhalb von 53 Stunden ca. 800 t Hausmüll sortiert wurden, wegen der besonderen Rahmenbedingungen, z. B. Beibehaltung der Getrenntsammlung, Sammlung der Bioabfälle über die Biotonne, kurzzeitiger Versuch in einem Wintermonat, keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf zukünftig mögliche Änderungen bestehender Sammelsysteme gezogen werden können.

Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage, dass die getrennte Abfallsammlung über das DSD im Prinzip verzichtbar und ein 1-Tonnen-System demgegenüber effizienter, wirkungsvoller, ökologisch besser und überdies vermutlich wesentlich preiswerter sei?

Die Bundesregierung weist darauf hin, dass bei dem erwähnten Versuch kein „1-Tonnen-System“ praktiziert wurde, sondern vielmehr die getrennte Erfassung nicht nur von Verpackungsmaterialien, sondern insbesondere auch von Bioabfällen beibehalten wurde.

Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten für das Sammeln, Sortieren und Verwerten einer Tonne Mischkunststoff über das DSD?

Nach Erkenntnissen der Bundesregierung belaufen sich die Gesamtkosten der Erfassung, Sortierung, Aufbereitung und Verwertung der von der DSD AG erfassten Kunststoffverpackungen auf insgesamt 1.000 bis 1.230 Euro pro Tonne. Eine Kostenzuordnung zu Mischkunststoffen liegt nicht vor.

Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass annähernd 30 kg sogenannter Leichtverpackungen pro Kopf und Jahr über das DSD gesammelt, davon tatsächlich kaum mehr als die Hälfte verwertet wird, während der Rest als Fehlwürfe und Sortierreste mit dem normalen Hausmüll entsorgt werden muss?

Im Jahr 2002 betrug die Menge der in Sammelsystemen für Leichtverpackungen insgesamt gesammelten Abfälle rund 2,3 Mill. Tonnen. Das entspricht rund 28,9 kg pro Einwohner. Der Verwertung wurden davon rund 1,4 Mill. t zugeführt. Dies entspricht 58 % der insgesamt gesammelten Menge. Bei denen nicht der Verwertung zugeführten sogenannten Sortierresten handelt es sich jedoch nicht um Leichtverpackungen, sondern um andere Materialien, die nicht verwertbar sind bzw. um Nicht-Verpackungen, die nicht den Regelungen der Verpackungsverordnung unterliegen und für deren Verwertung derzeit niemand die Kosten zu übernehmen bereit wäre.

Trifft es zu, dass sich gerade im Hausmüll, der derzeit über die grauen Tonnen von den Kommunen entsorgt wird, noch erhebliche Mengen an wertvollen Rohstoffen befinden, die in der Regel für eine Verwertung verloren gehen?

Nach Restmüllanalysen des bayerischen Landesamtes für Umweltschutz sind in häuslichen Restabfällen Wertstoffanteile von bis zu 43 % (in ländlichen Bereichen) bzw. 49-54 % (in städtischen Bereichen) feststellbar. Diese Mengen bestehen zu rund 50 % aus organischen Anteilen, wie Garten- und Küchenabfällen. In den untersuchten Gebieten wurde ein Anteil von PKK (Papier, Pappe, Karton einschl. Verpackungen) Kunststoffen (stoffgleiche Nichtverpackungen) LVP etc. von 20 – 30 % im Restmüll festgestellt. Andere Untersuchungen gehen davon aus, dass die im Restabfall verbleibenden Verpackungen (Papier-, Kunststoff-, Glas-, Holz-, nicht Eisen- und Eisenmetall- sowie Verbundverpackungen) zusammen etwa 15 % ausmachen.

Hieraus ist zunächst die Schlussfolgerung zu ziehen, dass das noch im Restmüll enthaltene Wertstoffpotential einer Nutzung zugeführt und nicht weiter in Deponien vergraben werden sollte. Dies kann zum einen über eine Verbesserung der Getrennthaltung und –sammlung erfolgen. Auch die energetische Nutzung in Müllverbrennungsanlagen ist ein Weg zur Nutzung dieses Potentials.

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein Verzicht auf die Getrenntsammlung von Abfällen und Reststoffen ökologisch vor allem deshalb vorteilhaft wäre, weil dann nicht mehr 3 oder 4 Müllabfuhren (Restmüll, gelber Müll, Biomüll, Papier, Glas) auf den gleichen Strecken zu bewältigen wären und
überdies das Verfahren der Abfallverwertung stark vereinfacht würde, während zudem Spielräume zur finanziellen Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher geschaffen würden?

Nein. Bei der Fragestellung wird völlig außer Acht gelassen, dass als Voraussetzung für eine nachträgliche Sortierung von Restabfall mit Blick auf Sortierbarkeit der Abfälle und Verwertbarkeit der aussortierten Wertstoffe zumindest die getrennte Bioabfall-Erfassung unabdingbar ist. Die getrennte Erfassung von Bioabfällen steht zudem nicht zur Disposition, weil qualitativ hochwertige Komposte/Gärrückstände eine Getrennterfassung voraussetzen. Darüber hinaus ist nach Auffassung der Bundesregierung für eine hochwertige Verwertung von Papier, Pappe und Karton sowie von Glas auch für diese Materialien eine getrennte Erfassung unverzichtbar. Auch in Zukunft wird daher in jedem Fall die getrennte Abfuhr zumindest der genannten Fraktionen erforderlich sein.

Zur Beurteilung ggf. möglicher finanzieller Entlastungen müsste darüber hinaus die zusätzliche finanzielle Belastung der Gebührenzahler durch die Erfassung zusätzlicher Abfallmengen im Restmüll, nachträglicher Sortierung und anschließender Verwertung berücksichtigt werden.

Im Übrigen, so die abschließende Passage der Bundesregierung, sieht die Regierung in der großen Bereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger, mit ihren Abfällen verantwortungsbewusst umzugehen, eine der beeindruckensten freiwilligen Leistungen im Umweltschutz.

Quelle: Bundesratsdrucksache DS 15/1978. (KE)

Quelle: H&K 2/2004, S.84-87

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