EU-Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung: Diskussion um die Einbeziehung von Abfällen

Von der Europäischen Union wird derzeit eine Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen (engl.: "RES = Renewable Energy Sources") im Elektrizitätsbinnenmarkt vorbereitet. Die Richtlinie, die voraussichtlich im Jahre 2002 verabschiedet wird, stellt eines der zentralen Vorhaben dar, mit denen die Europäische Union die Klimaschutzziele auf Grundlage des Kyoto-Protokolls umsetzen will. So erhoffen sich die EU-Mitgliedsstaaten von der geplanten Richtlinie einen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie zur Minderung des Ausstoßes anderer Schadstoffe wie SO2 und NOx.

Der Richtlinien-Entwurf beruht auf dem 1997 vorgelegten Weißbuch (u. a. KOM(97) 599 endg.) über erneuerbare Energieträger, in dem insbesondere ein Aktionsplan und eine klare Fassung von Zielen formuliert wurden. Derzeit vorgesehen ist eine Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch der Gemeinschaft von derzeit 6 % auf 12 % im Jahr 2010. Auf die Stromerzeugung bezogen, bedeutet dies eine Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien auf 22,1 % (Richtwert) im Jahr 2010.

In dem derzeit laufenden Gesetzgebungsverfahren ist unter den nationalen Staaten, der Kommission, dem Rat, dem Parlament und den Interessengruppen insbesondere noch strittig, wie weit der Begriff "erneuerbare Ressourcen für die Energiegewinnung" gefasst wird. Einigkeit besteht bereits, Wind, Sonne, Erdwärme und Wasserkraft in das Anerkennungs- und damit Fördersystem der Richtlinie einzubeziehen. Ein großer Dissens existiert jedoch weiterhin, ob auch der Bereich Biomasse aus Abfällen in die Richtlinie aufgenommen werden soll.

Ursprünglich vertrat die Kommission in ihrem Weißbuch eine breite Definition von Biomasse, die auch die energetische Nutzung der Biomasse aus Abfällen beinhaltete. In ihrem ersten Richtlinien-Entwurf vom Mai 2000 (2000/C 311 E/320) zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt wählte die Kommission dann in Artikel 2 eine engere Definition, die weder Biogase noch den biologisch abbaubaren (d. h. den als erneuerbare Energiequelle nutzbaren) Anteil städtischer und industrieller Abfälle umfasste. Die Definition war folgendermaßen gefasst:
"Erneuerbare Energiequellen: erneuerbare, nicht-fossile Energiequellen (Wind, Sonne, Erdwärme, Wasser-, Wellen- und Gezeitenkraftwerke mit einer Kapazität von weniger als 10 MW sowie Biomasse, d. h. land- und forstwirtschaftliche Produkte, pflanzliche Abfälle aus Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Lebensmittelindustrie sowie unbehandelte Holz- und Korkabfälle)".

Rechtlich betrachtet handelte es sich hierbei um eine aufzählende abschließende Definition. Die engere Definition war auch innerhalb der Kommission strittig. Die Generaldirektion Umwelt, die sich dafür einsetzte, verwies insbesondere auf die Definition der Abfallverbrennungsrichtlinie, die mit der obigen Definition erneuerbarer nicht-fossiler Quellen deckungsgleich sei.

Dieser Richtlinien-Entwurf wurde nach entsprechender Befassung in verschiedenen Gremien dem Europäischen Parlament vorgelegt, dort am 16. November 2000 in erster Lesung behandelt und mit Änderungen versehen. Der geänderte Vorschlag der Kommission wurde dem Europäischen Parlament und dem Rat am 29. Dezember 2000 übermittelt (2001/C 154 E/89). Der Vorschlag beinhaltete veränderte Begriffsbestimmungen, so auch in Artikel 2 für Biomasse, um den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Ziele der Richtlinie einen größeren Gestaltungsspielraum zu ermöglichen. Folgende, weiter gefasste Definition wurde vorgesehen:
"Erneuerbare Energiequellen: erneuerbare nicht-fossile Energiequellen wie
- Wind, - Sonnenstrahlen, - Erdwärme, - Wellen, - Meeresströmung, - Gezeitenkraft- und Wasserkraftwerke mit einer Kapazität von weniger als 10 MW,
- Biomasse mit unbedeutenden Verunreinigungen, d. h. der biologisch abbaubare Anteil von Materialien aus Land- und Forstwirtschaft, Holz- und Korkabfälle sowie biologisch abbaubarer Produkte der Zellstoff- und Papierindustrie und die Zersetzung des biologisch abbaubaren Anteils getrennter städtischer Abfälle - Deponiegase".

Der Rat erzielte am 05. Dezember 2000 eine politische Einigung über den Vorschlag und legte am 23. März 2001 einstimmig den Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 18/2001 fest (2001/C 142/5). Der Gemeinsame Vorschlag geht über die Anmerkungen des Europäischen Parlaments in erster Lesung hinaus. Während das Europäische Parlament die Trennung des biologisch abbaubaren Anteils städtischer und industrieller Abfälle vor der Energiegewinnung vorgeschlagen hatte, wird im Gemeinsamen Standpunkt der erneuerbare Teil von Abfallströmen auch dann berücksichtigt, wenn er zusammen mit dem nicht erneuerbaren Teil behandelt wird, wie z. B. bei der Abfallverbrennung. Im Falle der Trennung des biologisch abbaubaren Anteils wollte das Europäische Parlament darüber hinaus die Elektrizitätsgewinnung aus Biomasse allein auf die Zersetzung beschränken, womit alle anderen Verfahren der Energiegewinnung ausgeschlossen gewesen wären. Im Hinblick auf Biomasse enthält Artikel 2 derzeit nun folgende Definition:
""Erneuerbare Energiequellen“: erneuerbare nicht-fossile Energiequellen (Wind, Sonne, Erdwärme, Wellen- und Gezeitenenergie, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Biogas);"""Biomasse“: der biologisch abbaubare Anteil von Erzeugnissen, Abfällen und Rückständen der Landwirtschaft (einschließlich pflanzlicher und tierischer Stoffe), der Forstwirtschaft und damit verbundener Industriezweige sowie der biologisch abbaubare Anteil von Abfällen aus Industrie und Haushalten".

In bezug auf die Definition der Biomasse hätte es die Kommission vorgezogen, wenn der Gemeinsame Standpunkt in größerem Umfang zu einer optimalen Abfallpolitik beigetragen hätte. So hätte die Kommission es vorgezogen, die Verbrennung von ungetrennten Siedlungsabfällen nicht als erneuerbare Energiequelle zu klassifizieren. Es bestehen Befürchtungen, die Erweiterung der Definition von Biomasse könnte einen Anreiz für die Müllverbrennung bieten, und dadurch den zur Abfallhierarchie gehörenden Zielen der Wiederverwendung und Verwertung von Abfällen entgegenlaufen.

Die Mitgliedsstaaten dürfen gemäß des Gemeinsamen Standpunkts bei Anlagen, in denen erneuerbare und nicht erneuerbare Energieträger eingesetzt werden, jedoch nur den Anteil des Stroms berücksichtigen, der aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird. Zusätzlich müssen, sofern die Mitgliedsstaaten Abfälle als Energiequelle nutzen, die geltenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft im Bereich der Abfallbewirtschaftung einhalten werden.

Nach Ansicht von Isabella Kossina, Amtsführende Stadträtin des Landes Wien, sprechen viele Gründe dafür, den Anteil an nachwachsendem Kohlenstoff im Abfall vollständig als erneuerbare Energiequelle einzubeziehen. Denn klimapolitisch bestehe kein Unterschied darin, ob Strom aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werde, die aus Abfällen oder aus Nicht-Abfällen stammten. Das vollständige oder teilweise Ausblenden der Abfallwirtschaft durch eine enge Begrifffestlegung von Quellen für die Erzeugung erneuerbarer Energien lasse einen wesentlichen Sektor aus Acht, der zumindest nach heutiger Erkenntnislage die günstigsten Kosten-Nutzen-Verhältnisse für die Erzeugung erneuerbarer Energie aufweise.

Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wird die erneute Beteiligung des Ministerrates und die zweite und dritte Lesung im Parlament erfolgen. Quelle: Kossina, I., Grüner Strom, in: Müllmagazin 2/2001, S. 8ff. sowie eigene Recherchen. (SR)

Quelle: H&K 3/2001, S. 215

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